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Kranke Parteienfinanzierung – Diskriminierung mit System – Teil II.

Über den Autor:

NICO KERN - 200x300Nico Kern, geboren 1972 in Köln, Jurist und Bankkaufmann, ist seit 2009 Mitglied der Piratenpartei. Seit der Landtagswahl im Mai 2012 vertritt er die Piraten im Landtag NRW. Er ist Vorsitzender des Ausschusses für Europa und Eine Welt und Mitglied im Rechtsausschuss. Er ist verheiratet und lebt in Marl. Dort setzt er sich auch für kommunale Belange ein und ist für die Piratengruppe im Kreistag Recklinghausen aktiv. Er bloggt auf nicokern.de und twittert als @TeilerDoehrden.

 

Kranke Parteienfinanzierung – Diskriminierung mit System – Teil II.

 

In Teil I haben wir uns die Grundlagen der deutschen staatlichen Parteienfinanzierung angeschaut [1]. Parteien erhalten gemäß ihren Wahlerfolgen und ihren vereinnahmten Spenden einen staatlichen Zuschuß, der insgesamt und auch pro Partei gedeckelt ist: Die absolute Obergrenze liegt bei etwa 157 Millionen Euro, die relative Obergrenze einer jeden Partei ist die Höhe ihrer anrechenbaren Einnahmen.

Leerlaufende Kompensationsregel

Auch Parteien haben Rechte: Da ist die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb. Auch das Prinzip der Wahlgleichheit. Bei der staatlichen Parteienfinanzierung, so wie sie jetzt ist, hat eine Wählerstimme für eine Partei, die unterhalb von fünf Prozent bleibt, keinen Erfolgswert. Und dies wirkt sich negativ auf die Finanzkraft dieser Partei aus, da Nicht-Parlamentsparteien weniger Spenden und Mitgliedsbeiträge erhalten.
Für diese Ungleichbehandlung ist eine Kompensation erforderlich. Zum Ausgleich gibt das Parteiengesetz mehr Geld für die ersten 4 Mio. Wählerstimmen. Doch die Kompensation für die 5-Prozent-Hürde greift nicht. Die Wirkung wird im System ausgehebelt.
Sind die zuschussrelevanten Einnahmen einer Partei unter dem rechnerischen Finanzierungsanspruch von 85 Cent bzw. 70 Cent je Wählerstimme, gibt es nicht mehr Zuschüsse als die Einnahmen. Da fallen Wählerwünsche, die ihrer Partei wenigstens mit dem Stimmenzuschuss etwas Gutes tun wollen, flach.

Um diese Kürzung zu vermeiden und ihre Parteienfinanzierung voll auszuschöpfen, sind kleine Parteien gezwungen, für jeden Euro aus dem Wählerstimmenkonto 1,61 Euro an Kleinspenden einzuwerben. Anders ausgedrückt: Für jede Stimme muss die Antragstellerin 1,37 Euro an Mitgliedsbeiträgen oder Kleinspenden generieren. Diese finanzielle Herausforderung kann von kaum einer der außerparlamentarischen Parteien geleistet werden. [2]

Selbst einige Parlamentsparteien sind hierzu kaum oder gar nicht in der Lage. Pro Wählerstimme nimmt die SPD 2,76 Euro an Zuwendungen ein. Die Unionsparteien erreichen 2,16 Euro (CDU) bzw. 2,06 Euro (CSU). Die Linke erreicht immerhin noch 1,31 Euro, die FDP liegt bei 1,18 und die Grünen generieren gerade noch 1,13 Euro pro Wählerstimme.

Die einzige außerparlamentarische Partei, die nach dem Parteiengesetz ausreichend begünstigte Eigenmittel einwerben konnte, waren die Republikaner. Der angebliche Vorteil für außerparlamentarische Parteien in Form der erhöhten Stimmvergütung von 85 Cent für die ersten vier Millionen Wählerstimmen entpuppt sich daher bereits bei mäßigem Wahlerfolg als nicht mehr in der Realität erreichbar.

Verbotener verdeckter Sockelbetrag für Bundestagsparteien

Insofern stehen 85 Cent lediglich auf dem Papier. Die 15 Extra-Cent je Stimme kommen fast keiner außerparlamentarischen Partei vollständig zu Gute. Damit entpuppen sich die 85 Cent nicht als Ausgleich für hürdengeschädigte Kleinparteien, sondern — pervers(!) — als Extra-Subventionierung der Bundestagsparteien, die davon in überzogenem Maß profitieren. Im Ergebnis erhalten sie so ihren alten Sockelbetrag zurück. Den lehnte das Bundesverfassungsgericht wegen fehlender Erfolgsbezogenheit schon einmal ab.
Das ist eine der vielen Perversionen der Parteienfinanzierung: denn es profitieren vor allen nur die Bundestagsparteien: Gleiche Chancen – nicht in der Parteienfinanzierung!

Artikelbild Parteienfinanzierung Mehr als nur Kleingeld

Anstatt den Wählerstimmenanteil zu stärken und die Bedeutung von Spenden zu mindern, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts verlangt wird, fördert das pervertierte System eine weitere Marginalisierung von kleinen Parteien.

Lebendiges Mehrparteiensystem?

Unsere Verfassung sieht aber ein offenes Mehrparteiensystem vor. Neue Parteien sollen auch finanziell auf Augenhöhe am Parteienwettstreit, dem Wettbewerb der besten politischen Ideen, teilnehmen. Das, so die Verfassungsrichter, „um künftigen politischen Entwicklungen Raum zu geben und einer Erstarrung des Parteienwesens vorzubeugen“.

Kleine Parteien können die Lernfähigkeit des politischen Systems eher stärken, wenn sie eine realistische Chance haben, selbst politische Erfolge zu erzielen. Für das Mehrparteiensystem politisch bedeutsam erweisen sich vor allem die Reaktionen bei den Parlamentsparteien, die angesichts der Wahlerfolge der kleinen Konkurrenten gezwungen werden, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, hieß es in einem Urteil aus dem Jahr 2004.
Der Erfolgswert der Stimmabgabe ist jedoch begrenzt. Nichtwähler etwa haben keinen Einfluß auf die Anzahl der Sitze. Ebenso muss ein Wähler hinnehmen, dass seine Stimme keinen Wert hat, falls seine Partei an der 5-Prozent-Hürde scheitert. Damit sind bei der letzten Bundestagswahl unglaubliche 7 Mio. Wählerstimmen in der APO gelandet. Sollte auch die Grenze zur Parteienfinanzierung nicht überschritten sein, so hat die Partei, die seine Ansichten vertritt, auch in dieser Hinsicht keinen Vorteil. Diskriminierung mit System.

Im nächsten Teil soll es um die neue Parteienmathematik mit „negativem Finanzierungsgewicht“ gehen, welches die Wahlentscheidung des Bürgers weiter entwertet.

Quellen:
[1] http://www.piratenpartei-nrw.de/2015/04/14/kranke-parteienfinanzierung-diskriminierung-mit-system/
[2] Zahlen auf Basis des Jahres 2011

1 Kommentar zu “Kranke Parteienfinanzierung – Diskriminierung mit System – Teil II.

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