Kolumne

Wege aus der Schuldenkrise (III)

Gestaltungsmöglichkeiten des Inflationsszenarios

Wenn wir uns also für Inflation und damit für ein Geldmengenwachstum entscheiden, das oberhalb der Steigerung des BIP liegt, stellen sich die folgenden beiden, eng zusammenhängenden Fragen:

  • Wer finanziert künftig die Staatsschulden? (Zentralbanken vs. Geschäftsbanken)
  • Wer soll dieses Geld schöpfen? (Zentralbankgeld vs. Giralgeld)

Wie ist es heute?

Staaten finanzieren sich über den so genannten Primärmarkt, zu dem nur ein bestimmter Kreis von Geschäftsbanken Zutritt hat. Diese leihen dem Staat Geld und kassieren dafür die jeweils marktüblichen Zinsen, die sich i.W. nach der Bonität des Staatsschuldners sowie nach der Laufzeit richten. Dieses Geld können die Banken entweder selbst schöpfen (= Giralgeld; z.B. durch Aufkauf von Wertpapieren) oder sie leihen es sich von den Zentralbanken (= Zentralbankgeld) zum gerade aktuellen „Hauptrefinanzierungssatz“ (zurzeit 1%). Die Zinserträge (bei ZB-Geld die Zinsdifferenz) sind Gewinn der Bank und erhöhen ihr Eigenkapital. Nach den geltenden gesetzlichen Regelungen ist für die Finanzierung der Staaten – also dem Kauf von Staatsanleihen durch die Banken – kein Eigenkapital der Banken erforderlich. Im Gegenteil: diese Staatsanleihen können (und zwar unabhängig von der Zahlungsfähigkeit des Schuldnerstaats) wiederum als Sicherheit bei den Zentralbanken hinterlegt werden, um damit neues Zentralbankgeld zu leihen.

Der oben beschriebene Zinsgewinn der Banken ist vollkommen risikolos, solange sichergestellt ist, dass der Staat seine Schulden bedient. Alle Rettungsschirme und sonstigen Entscheidungen der letzten EU-Gipfel sollen genau diese Garantie geben (Ausnahme: der freiwillige Schuldenschnitt Griechenlands). Wenn „die Märkte“ also überzeugt werden sollen, dass der Ausfall einer Staatsanleihe durch entsprechende Bürgschaften ausgeschlossen wird, wodurch rechtfertigt sich dann der Zinsgewinn der Banken?

Als nächstes drängt sich die Frage auf, warum die Inflationsgefahr höher eigentlich höher sein sollte, wenn das Geld von der Zentralbank direkt an die Staaten wandert, als wenn bei diesem Geldtransfer die Banken zwischengeschaltet sind? Der einzig denkbare Grund kann ja nur die Höhe des Marktzinses sein, der disziplinierend auf das Ausgabeverhalten der Staaten wirken soll. Wenn aber die Zinshöhe das einzige Steuerungsinstrument ist, dann kann auch die Zentralbank unterschiedliche hohe Zinsen für die Anleihen verschiedener Staaten erheben. Die Zinshöhe resultiert ja letztlich aus der Bonität eines Staats, die größtenteils zum einen von der Höhe der Staatsverschuldung und zum anderen von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (z.B. Wirtschaftswachstum oder Handelsbilanz o.ä.) abhängt.

Der viel kritisierten Abhängigkeit von den amerikanischen Ratingagenturen hinsichtlich der Finanzierung der europäischen Staatsdefizite würde dadurch begegnet, dass ein transparentes Alternativrating aufgebaut wird, in das die gleichen ökonomisch relevanten Parameter zur Beurteilung der Staatsbonität einfließen. Diese steuern dann den Zinssatz, zu dem sich Staaten bei der EZB finanzieren können. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass keine (nahezu risikolose) Zinsdifferenz mehr bei den Banken hängenbleibt. An dieser Zinsdifferenz verdienen dann die EZB und damit der Steuerzahler, der letztlich ja auch über die Rettungsschirme das Ausfallrisiko trägt und nicht mehr die „privaten Gläubiger“, die sich mit Hinweis auf die Systemrisiken in der Regel der Haftung entziehen.

Weitere differenziertere Modelle sind vorstellbar: Um möglichst rasch zu einer Tilgung der Altschulden zu kommen, könnten beispielsweise für einen bestimmten Anteil der kurzfristig fälligen Altschulden Anleihen ausgegeben werden, die einen extrem niedrigen Zinssatz (z.B. 1%), dafür aber eine hohe jährliche Tilgung vorsehen (z.B. 3-5%), und das bei einer Laufzeit von etwa 20-30 Jahren. Auf diese Weise würde eine Gesamtbelastung erreicht, die in etwa auf der Höhe der heutigen Marktzinsen für Staatsschuldner mit schlechter Bonität liegt, aber langfristig zu einem sukzessiven Abbau der Altschulden führt.

Es soll aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass in diesem Modell noch für weitere Fragen Lösungen zu finden sind. Bspw. ist es wohl notwendig, einen Sekundärmarkt für diese Kredite zu organisieren, auf dem auch andere Marktteilnehmer in Staatsanleihen investieren können. Andernfalls würde man konservativ orientierten Anlageformen zur Alterssicherung (z.B. Lebensversicherungen, Pensionsfonds) eine ganz wesentliche Anlageklasse nehmen. Dies würde wiederum Anreize schaffen neue „kreative“ Finanzinstrumente zu erfinden, die man ja eigentlich reduzieren möchte.

Bei diesen oder ähnlichen Modellen der ausschließlichen Finanzierung mit Zentralbank-Geld stellt sich natürlich die Frage, ob eine EZB dauerhaft unabhängig genug ist, um so etwas wie eine disziplinierende Geldmengensteuerung gegenüber den Begehrlichkeiten der politischen Führungen in den einzelnen Ländern gewährleisten und aufrecht erhalten zu können. Glaubt man dies nicht, muss man andere Wege finden, eine Institution zu schaffen, die die Geldmenge politisch vollkommen unabhängig steuert und ausschließlich (verfassungsrechtlichen?) Regeln unterworfen ist.

[Autor: Himar Benecke]

0 Kommentare zu “Wege aus der Schuldenkrise (III)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

30 − = 23