Kolumne

Wege aus der Schuldenkrise (I)

Jedem Schuldner steht ein Gläubiger gegenüber. Und was für den Schuldner Kredit ist, ist für den Gläubiger Vermögen. Wenn also die Staatsschulden reduziert werden sollen, ist damit zwingend auch eine Forderung nach weniger Vermögen der Gläubiger verbunden. Weniger Schulden = weniger Vermögen! Nur weil uns Schulden als etwas Schlechtes und Guthaben als etwas Gutes erscheinen, heißt das nicht, dass wir nur eine Seite der Bilanz verringern können.

Es ist also offensichtlich, dass mit der Verringerung von Schulden auch eine Reduzierung von Vermögen einhergehen muss. Damit wird gleichzeitig virtuelles Geld (sog. „Giralgeld“) vernichtet. Sowohl Politik als auch Wirtschaft müssten ein Interesse daran haben, dieses Geld zu einem möglichst kleinen Bestandteil dem (Real-)Wirtschaftskreislauf zu entziehen, denn sonst droht Deflation. Grundsätzlich erscheint dies möglich, da die Flutung der Finanzmärkte mit Geld (auch, aber nicht nur durch die Zentralbanken) inzwischen zu einem Geldvolumen geführt hat, das nach aktuellen Schätzungen etwa zehnmal höher ist als die durch die reale Wirtschaft geschaffenen Sachwerte. Die Frage ist also, wie man das Geld dort vernichtet (d.h. zur Schuldenreduzierung heranzieht), wo es quasi zum Selbstzweck herumvagabundiert. Und unmittelbar damit verbunden stellt sich die nächste Frage – vor der die handelnden Akteure am meisten Angst haben -, ist dies möglich, ohne dass das gesamte jetzige Finanzsystem zusammenbricht.

Möglichkeiten der Entschuldung

Diese Zusammenhänge sind insbesondere deswegen wichtig zu verstehen, um die zurzeit präferierte Lösung des Sparens als Mär zu entlarven. Denn Sparen heißt nichts anderes als auf Ausgaben zu kürzen – Ausgaben entweder für Investitionen oder für Konsum. Beide Faktoren sind aber Stützpfeiler unseres Wirtschaftslebens, das auf der anderen Seite die Staatseinnahmen generiert. Was mit diesen geschieht, wenn nur gespart – also gekürzt – wird, sehen wir zurzeit in allen Krisenländern, die dies bereits tun. So wie die Staatsverschuldung unser Wirtschaftswachstum (künstlich) angetrieben hat, so führt Sparen zur gleichen Dynamik in die andere Richtung. Die weltweiten Konjunkturprogramme in 2008 und 2009 wurden übrigens damit begründet, dass die Ausgabenkürzungsprogramme in den Jahren 1930-1932 in Deutschland zu Massenarbeitslosigkeit führten. Wie kann diese Argumentation innerhalb von drei Jahren falsch werden?

Eine (Staats-)Entschuldung kann also nur zulasten eines Schrumpfens anderer – möglichst Realwirtschafts-ferner – Vermögenswerte erzielt werden kann, wenn eine Deflation vermieden werden soll. Auf einer höheren Ebene sind dafür eigentlich nur drei Modelle denkbar:

  • Streichen von Schulden und den ihnen gegenüber stehenden Guthaben (= Schuldenschnitt)
  • Vergrößerung der Staatseinnahmen durch höhere Steuern oder Abgaben (auch einmalige) auf Vermögenswerte und/oder Einkommen
  • Inflation (= Geldentwertung durch Geldmengen-Wachstum, das größer ist als der Produktivitätszuwachs der Realwirtschaft)

Bei den letzten beiden Modellen sei darauf verwiesen, dass diese zwar die Staatsschulden reduzieren bzw. entwerten, die Gesamtschulden im System jedoch nicht verringern. Dies vermag einzig die erste Variante. Andere Lösungen – außer einer Währungsreform – gibt es meiner Ansicht nach nicht. Die Frage ist also nur, mit welchen Mitteln und in welchem Zeitraum der Prozess des „Schulden-und-Vermögen-Vernichtens“ stattfinden sollte.

[Autor: Himar Benecke]

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