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Adventskalender – 18. Dezember: Süßer die Kassen nie Klingeln

O du fröhliche, O du stressige Vorweihnachtszeit! Während genervte Eltern auf der Suche nach dem neuesten Plastik-Krempel sich in abgegrasten Konsumtempeln immer hektischere Schlachten liefern, wollen wir heute einen Blick auf ein kaum bekanntes Positionspapier der NRW-Piraten werfen. Unter der Überschrift „Modernisierung des Wachstumsbegriffs“ versucht Autor Hilmar Schulz sich an gesellschaftlichen Grundwerten —“ und gibt zugleich eine deprimierende Antwort auf die Frage, die gerade jetzt so viele Menschen bewegt: „Warum tu ich mir den Scheiß eigentlich an?“

Foto: Weihnachtseinkauf CC BY-NC 3.0 Kira Stein
Foto: Weihnachtseinkauf CC BY-NC 3.0 Kira Stein

Der aktuelle Wachstumsbegriff betont nämlich einseitig den Konsum von Waren und Dienstleistungen, lässt aber Leistungen unberücksichtigt, die der Gemeinschaft dienen, wie etwa Kindererziehung oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Dadurch fördert er eine Einstellung, die das Wohlergehen der Bevölkerung rein auf ihre messbare ökonomische Leistungsfähigkeit reduziert.

Die NRW-Piraten finden demgegenüber: Das Streben nach Wirtschaftswachstum darf nicht zu einem Selbstzweck werden, indem es wahllos alles misst und wägt, was sich „verbrauchen“ lässt. Denn das reduziert Wachstum auf ein bloßes Konsumbarometer. Wirtschaftswachstum kann aber erst dann zu einem gesellschaftlich akzeptablen Kernziel werden, wenn es insgesamt die Zufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten erhöht. Und das ist schon seit mindestens 15 bis 20 Jahren nicht mehr der Fall. Wenn sich etwa die Behandlungskosten psychischer Belastungsstörungen im letzten Jahrzehnt vervielfacht haben, kann man wohl kaum von einem echten „Erfolg“ für unsere Volkswirtschaft sprechen.

Auf den Trümmern eines zerbombten Europas gründete sich unser Wirtschaftswunder auf einer Wachstumsideologie, die den Konsum materieller Güter in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik stellte. Damals hatten weite Teile der Bevölkerung einen aus heutiger Sicht geringen Lebensstandard und Themen wie Umwelt oder Nachhaltigkeit waren weit weg. Aus eben jener Zeit stammt aber bis heute unser Wachstumsbegriff.

Die dringend notwendige Begrenzung unseres Ressourcenverbrauchs lässt sich nicht allein mit mehr Produktion bei weniger Energieverbrauch und Umweltverschmutzung erreichen. Jede Art von Produktionswachstum erfordert auch mehr Rohstoffe, deren Ausbeutung wiederum Umweltzerstörung nach sich zieht. Aus dieser Erkenntnis heraus fordern die Piraten eine qualitative Diskussion über den Wachstumsbegriff, die etwa Dinge wie Waffenproduktion oder Krankheitskosten nicht mit Infrastrukturmaßnahmen gleichsetzt. Denn: Je kränker wir werden, desto mehr wächst unsere Wirtschaft. Auf der anderen Seite bleiben unbezahlte Leistungen unberücksichtigt, von denen wir als Gesellschaft profitieren. Der privat versorgte Gebrechliche erhöht das Wirtschaftswachstum nicht —“ ein Platz in einem Pflegeheim schon.

Foto: Weihnachtliche Extrawurst CC BY-NC 3.0 Kira Stein
Foto: Weihnachtliche Extrawurst CC BY-NC 3.0 Kira Stein

Die Piratenpartei möchte deutlich machen, wohin uns ein allein auf immer mehr Konsum ausgerichtetes Wirtschaftswachstum geführt hat. Zur Produktion von Waren mit gezielt begrenzter Lebensdauer beispielsweise, deren Komponenten zum Teil nur schwer austauschbar sind, Stichwort „geplante Obszoleszenz“. Aus der Herausforderung, Produkte mit möglichst langer Haltbarkeit zu schaffen, die im besten Falle nicht kaputt zu kriegen sind, wurde die Aufgabe, Produkte mit einer möglichst planbaren Vergänglichkeit zu entwickeln.

Nicht zuletzt infolge des weltweiten Konkurrenzkampfes um Wachstumsanteile wird bis heute bei der Preiskalkulation eines Produkts Entscheidendes viel zu wenig berücksichtigt —“ und immense Kosten werden auf nachfolgende Generationen abgewälzt: die Endlichkeit von Ressourcen, die Umweltbelastung beim Transport und die vollständigen Entsorgungskosten. Lebensmittel- und Textilbestandteile etwa reisen mehrfach um die ganze Welt —“ nicht um irgend jemandes Überleben zu sichern, sondern um unser übersteigertes Konsum- und Genussbedürfnis zum Schnäppchenpreis zu befriedigen. Und der von unserer „Wohlstandsgesellschaft“ in weiterhin steigendem Maße produzierte Elektroschrott, jawohl: unsere alten Computer und Handys, werden in Afrika unter freiem Himmel verbrannt, wo sie Mensch und Natur vergiften.

So kann’s nicht weitergehen.

2 Kommentare zu “Adventskalender – 18. Dezember: Süßer die Kassen nie Klingeln

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