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Stellungnahme des Landesvorstands zum Gastbeitrag von Nasrin Amirsedghi auf der Bundesseite

Am 09. Dezember erschien auf der Bundeswebseite der Piratenpartei Deutschland ein Beitrag mit dem Titel: „Deutschland braucht eine kontrollierte, bedarfsorientierte Zuwanderungspolitik – keine Quantität ohne Qualität“. Der Landesvorstand NRW hat dazu gestern einen Antrag an den Bundesvorstand gestellt, diesen Beitrag offline zu nehmen.

Begründung zu unserem Antrag

Der Landesvorstand NRW hält die Veröffentlichung des genannten Artikels auf der Bundeswebseite der Piratenpartei für einen schweren politischen und organisatorischen Fehler sowie für einen klaren Verstoß gegen Grundsatzprogramm, Beschlusslage und satzungsgemäße Aufgaben des Bundesvorstands.
Der Artikel vertritt Positionen zur Asyl- und Migrationspolitik, die inhaltlich nicht mit dem seit Jahren gültigen Grundsatzprogramm der Piratenpartei vereinbar sind. Insbesondere widerspricht er dem menschenrechtsbasierten Ansatz der Piratenpartei, der Asyl als individuelles Grundrecht versteht und Migration ausdrücklich nicht nach Nützlichkeits-, Kosten- oder kulturellen Verwertungskriterien bewertet. Die im Artikel verwendeten Kategorien wie „europäischer Bildungshintergrund“, „ähnliches Wertefundament“, „gesellschaftliche Anschlussfähigkeit“ und die Gegenüberstellung von „qualifizierten Bewerbern“ und „Flüchtlingen aus Staaten mit niedriger Qualifikationsdichte“ stellen eine utilitaristische Selektionslogik dar, die dem piratigen Selbstverständnis fundamental widerspricht.

Die Piratenpartei hat sich programmatisch eindeutig zu einer offenen, diskriminierungsfreien und menschenrechtsorientierten Politik bekannt. Menschen werden darin als Individuen betrachtet, nicht als statistische Gruppen, Kostenfaktoren oder kulturelle Risikoobjekte. Der veröffentlichte Artikel kehrt dieses Prinzip um, indem er Menschen anhand von Herkunft, vermuteter Bildungsnähe und ökonomischem Verwertungswert bewertet. Dies widerspricht nicht nur dem politischen Programm, sondern auch den Grundwerten der Partei, insbesondere der Ablehnung gruppenbezogener Abwertung und der Gleichwertigkeit aller Menschen.

Darüber hinaus stellt die Veröffentlichung des Artikels einen Verstoß gegen die innerparteiliche Demokratie und die organisatorische Rolle des Bundesvorstands dar. Laut Satzung ist der Bundesvorstand verpflichtet, seine politischen und organisatorischen Entscheidungen im Sinne der Beschlüsse des Bundesparteitags umzusetzen. Eine eigenständige politische Neuausrichtung oder das Platzieren programmwidriger Positionen auf der Bundeswebseite ohne entsprechende Beschlusslage überschreitet diese Kompetenz. Die Bundeswebseite ist ein offizielles Kommunikationsorgan der Partei und kein Meinungsforum für politische Testballons oder inoffizielle Richtungsänderungen.
Besonders problematisch ist, dass der Artikel nicht als klar abgegrenzter Meinungsbeitrag mit ausdrücklichem Hinweis auf seine fehlende Beschlusslage veröffentlicht wurde, sondern als „Topthema“ auf der Bundeswebseite. Dadurch entsteht nach außen der Eindruck, es handele sich um eine von der Piratenpartei getragene oder zumindest akzeptierte Position. Dies führt zu erheblicher Verunsicherung bei Mitgliedern, Unterstützern und Wählerinnen und Wählern und beschädigt die Glaubwürdigkeit der Partei nachhaltig.

Der Landesvorstand sieht zudem die Gefahr einer strategischen Fehlentwicklung. Die im Artikel vertretenen Positionen überschneiden sich in zentralen Punkten mit Forderungen anderer Parteien, die für eine restriktive, selektive und kulturbezogene Migrationspolitik stehen. Eine solche inhaltliche Annäherung ist weder programmatisch gedeckt noch politisch erfolgversprechend. Parteien gewinnen kein Vertrauen, indem sie Positionen vertreten, die ihrem eigenen Programm widersprechen und gleichzeitig von anderen politischen Akteuren bereits glaubwürdiger und konsequenter vertreten werden.

Schließlich belastet die fortgesetzte Veröffentlichung des Artikels das innerparteiliche Klima erheblich. Mitglieder, die sich auf Grundlage des Programms engagieren, Anträge einbringen, Wahlkampf machen und die menschenrechtliche Linie der Piratenpartei verteidigen, werden faktisch delegitimiert. Der Eindruck entsteht, dass Programm und Beschlüsse beliebig seien und durch nicht beschlossene Inhalte ersetzt werden könnten. Dies steht im direkten Widerspruch zu den demokratischen Grundprinzipien, auf denen die Piratenpartei gegründet wurde.
Aus diesen Gründen hält der Landesvorstand NRW die Entfernung des genannten Artikels von der Bundeswebseite für zwingend erforderlich. Die Bundeswebseite muss die beschlossene politische Linie der Partei widerspiegeln und darf nicht zur Verbreitung programmwidriger Positionen genutzt werden. Eine politische Debatte über mögliche Änderungen der Programmatik ist legitim, muss jedoch offen, transparent und innerhalb der dafür vorgesehenen demokratischen Strukturen geführt werden, nicht über die Außendarstellung der Partei.

Der Ordnung halber sei auch die mangelnde Professionalität bei der Veröffentlichung erwähnt:
Wenn es „nur“ eine „Gefälligkeitsveröffentlichung“ war, hätte der Beitrag so gekennzeichnet werden müssten: Gastbeitrag von XY. Dieser Artikel stellt nicht die Meinung der Piratenpartei dar. Zudem fehlen Infos zur Autorin, zB. wo sie bereits veröffentlicht hat (Tichys Einblick etc.), welche fachliche Begründung/Qualifikation der Grund ist, ihre Meinung zu veröffentlichen (Hierzu gab es heute morgen ein Update).

Die Verantwortlichen für die Veröffentlichung dieses Artikels werden zudem gebeten, folgende Fragen zu beantworten:

  • Teilt der Bundesvorstand inhaltlich die im Artikel formulierten Aussagen zu „europäischem Wertefundament“, „kultureller Anschlussfähigkeit“ und der Unterscheidung zwischen „richtiger“ und „falscher“ Migration?
  • Plant der Bundesvorstand, diese Positionen langfristig zur offiziellen Linie der Piratenpartei zu machen?
  • Welche internen Prüf- oder Freigabeprozesse existieren für die Veröffentlichung politischer Artikel auf der Bundeswebsite?
  • Wurden diese im vorliegenden Fall eingehalten?
  • Wie bewertet der Bundesvorstand die zahlreichen Rückmeldungen von Mitgliedern, die den Artikel als programmwidrig, schädlich oder demotivierend für die Parteiarbeit wahrnehmen?
  • Fühlt der Bundesvorstand sich in seinem Handeln an Programm und Satzung der Piratenpartei gebunden?

Ganz herzlichen Dank an den Landesverband Bayern, der mit seinem Statement zu besagtem Artikel vorangegangen ist. Ebenso herzlichen Dank an die Piraten Sachsen, die ebenfalls ein Statement dazu veröffentlichen wollen. Außerdem möchten wir all jenen danken, die unter dem besagten Artikel Kommentare hinterlassen haben. Dieser Austausch ist wichtig und richtig. Schlussendlich können wir nur sagen: Das Piratenmotto lautet Freiheit – Würde – TEILHABE, nicht Ausgrenzung.

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