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Gastbeitrag von Hélder Aguiar

“Kein Adler? – Kein Kreuz!” – Zum Internationalen Tag der Migrant:innen

Hallo, ich bin Hélder und ich bin Migrant.

Was wie eine Vorstellung bei einer Selbsthilfegruppe klingt, ist Teil meiner eigenen Geschichte und zudem eigene Kultur geworden. Ich bin in Deutschland geboren, besuchte deutsche Schulen, habe in Deutschland einen Beruf erlernt und zahle seit über 20 Jahren in das Renten-, Sozial- und Steuersystem ein. Mir ist die deutsche Sprache sehr bewusst, ich kenne mich in der deutschen Kultur und Geschichte ausgesprochen gut aus aber besitze kein Wahlrecht.

Kein Adler auf dem Ausweis? – Dann auch kein Kreuz auf dem Wahlzettel!

Ich darf nicht wie andere für Gesetze abstimmen, die mich persönlich betreffen. Weder darf ich die zur Wahl stehenden Abgeordneten im Landtag oder Bundestag wählen, noch darf ich für diese Posten selbst antreten. Ich muss einfach das Ergebnis über mich ergehen lassen. Daher ärgere ich mich auch über alle, die das eigene Wahlrecht nicht ausüben möchten.

Als Portugiese darf ich jedoch, wie es auch im Ausland lebende Deutsche dürfen, in meinem „Heimatland“ wählen. Per Briefwahl oder auch mit einer richtigen Urne im Konsulat. Eigentlich ist das ein Witz: Denn das Wahlverfahren in Portugal sieht eine sehr kleine Berücksichtigung der im Ausland lebenden Staatsbürger:innen im Wahlergebnis vor. Sollten alle im Ausland lebenden Portugies:innen wählen gehen, so haben z. B. in Coimbra, Lissabon oder Porto Wohnende weitaus mehr Stimmgewicht als im Ausland lebende Wahlberechtigte. Hierfür wurde vor der vergangenen Parlamentswahl ein Gesetz erlassen, dass automatisch alle (wahlberechtigten) Auslandsportugies:innen ins Wählerverzeichnis eintragen ließ.

Als Lösung für mein Problem wird oft vorgeschlagen, dass ich mich doch einbürgern lassen kann. Es sei ja „nicht so schwer, einen deutschen Pass zu erhalten.“ Ist es doch!
So eine Einbürgerung ist mit einer Flut an Unterlagen, Anträgen und mit einer nicht geringen Summe Geld verbunden. Zudem müssen auch eine Vielzahl an Voraussetzungen erfüllt werden.
Eine dieser Voraussetzungen gilt für Menschen, die keinen deutschen Schulabschluss besitzen: Der Einbürgerungstest.

Kennen Sie Heinrich Hoffmann von Fallersleben?

Dieser Test hatte schon bei seiner Einführung eher den Charakter eines Einbürgerungsverhinderungstests. Als Kompromiss wurden viele Testfragen entschärft und dafür wurde ein Fragenkatalog mit 300 Fragen bundesweit und weiteren 10 Fragen pro Bundesland eingeführt. Aus diesem werden 33 Fragen, von denen drei landesbezogen sind, zu einem Einbürgerungstest zusammengefasst. Für mich wäre der Test kein Problem. Die Gründe habe ich oben genannt. Für viele Deutsche ist jedoch auch dieser Test ohne vorheriges Training nicht zu schaffen. Machen Sie mal einen. Die bisher häufigste der Reaktionen auf die Fragen war die Gegenfrage: Warum muss man das wissen?

Ein Teil der Unterlagen bezieht sich auch auf die finanzielle Situation des Einzubürgernden. So sind Einkommen und Schuldenfreiheit nachzuweisen. Letzteres mit einem Auszug aus dem Schuldnerregister. (Nein, nicht SCHUFA-Auskunft, sondern die vom Gericht!) Zudem ist eine Einbürgerung mit 255 € keine günstige „Nebenausgabe“, bei der zudem nicht gesichert ist, dass diese erfolgreich beschieden wird. Sie kann durchaus, so zeigt es auch die Erfahrung, ganz ohne Begründung abgelehnt werden.

Ich wünsche mir daher eine bessere Einbindung von in Deutschland lebenden Ausländer:innen. Wenn sie die Voraussetzungen einer Einbürgerung erfüllen, so sollen diese auch ohne die deutsche Staatsbürgerschaft die Regierung ihres Wohnortes wählen dürfen. Nicht umsonst hat die NRW-Piratenfraktion mit einem Gesetzesentwurf versucht, eine Verbesserung der Lage zu erreichen, die von der damaligen schwarz-gelben Opposition verhindert wurde. In der Begründung der CDU wurde zudem auf Einbürgerungen verwiesen.